Warum wir uns oft selbst sabotieren – und wie du den inneren Kritiker besänftigst
Selbstsabotage ist das heimliche Phänomen, das uns immer wieder dazu bringt, uns selbst im Weg zu stehen. Ob Beruf, Beziehungen oder persönliche Ziele – oft sind wir es selbst, die durch festgefahrene Verhaltensmuster unseren Erfolg verhindern. Doch es gibt Wege, um diese schädlichen Gewohnheiten zu erkennen und abzulegen.
Was ist Selbstsabotage?
Selbstsabotage bezeichnet das unbewusste oder bewusste Vorgehen, bei dem wir uns selbst schaden und unsere Interessen untergraben – aus der Angst heraus, zu scheitern oder verletzt zu werden. Laut Dr. Ellen Hendriksen ist es ein Verhalten, das unsere langfristigen Ziele aus kurzfristigem Sicherheitsbedürfnis sabotiert. Und ja, oft sind wir es selbst, die den äußeren Umständen die Schuld geben, während unser eigenes Verhalten der eigentliche Erfolgsverhinderer ist.
Typische Formen der Selbstsabotage
- Prokrastination: Wichtige Aufgaben werden aufgeschoben.
- Perfektionismus: Projekte werden abgebrochen, weil sie nicht „perfekt“ sind.
- Selbstzweifel: Ein abwertender innerer Dialog macht sich breit.
- Beziehungssabotage: Beziehungen werden durch Kritik oder Flucht untergraben.
- Imposter-Syndrom: Erfolge werden als bloßer Glücksfall abgetan.
Warum sabotieren wir uns selbst?
Tiefverwurzelte emotionale Erlebnisse und ein verzerrtes Selbstbild sind die Übeltäter. Drei Hauptmotivationen treiben selbstsabotierendes Verhalten an:
Schutz vor Enttäuschung
Durch „Self-Handicapping“ schaffen wir einen Vorwand für Versagen, um unser Selbstwertgefühl zu schützen. Ein Beispiel: „Ich konnte mich ja kaum vorbereiten.“ Dies sichert das Ego, verhindert aber wahres Wachstum.
Niedriges Selbstwertgefühl
Ein mangelndes Selbstwertgefühl lässt Erfolge schal schmecken. Die Bestätigung der eigenen Unzulänglichkeiten führt dazu, Chancen zu verweigern, um das Selbstbild nicht ins Wanken zu bringen.
Angst vor Veränderung
Erfolg verheißt Verantwortung und Veränderung. Die Angst vor solchen Konsequenzen führt dazu, dass wir selbst die Reißleine ziehen, bevor sich wirklich etwas ändern kann.
Der innere Kritiker – mehr Schaden als Schutz
Unser innerer Kritiker ist die destruktive Stimme, die alles in Frage stellt. Psycholog:innen sehen hierin eine negative innere Stimme, die ursprünglich zur sozialen Kontrolle diente, heute aber oft nur hemmt.
So erkennst du den inneren Kritiker
- Absolutismus: „Nie schaffst du das“, anstatt „Diesmal war es schwer“
- Verallgemeinerung: „Du kannst nichts“ statt spezifischer Kritik
- Persönlicher Angriff: „Du bist unfähig“ anstelle von „Das war ein Fehler“
- Keine Lösungsperspektive: Nur das Problem sehen, keine Auswege
Was sagt die Wissenschaft zur Selbstsabotage?
Neurowissenschaften zeigen: Negative Selbstbewertungen aktivieren schmerzverarbeitende Gehirnregionen wie den anterioren cingulären Cortex und die Amygdala. Diese übersteuern dann den rationalen präfrontalen Kortex, was impulsive und angstgetriebene Handlungen fördert. Langfristig bedeutet das weniger Zielerreichung und Lebenszufriedenheit.
Strategien gegen Selbstsabotage
Der Schlüssel liegt in der Veränderung eingefahrener Muster. Selbstkritik kann durch neue, stärkende Verhaltensweisen ersetzt werden.
1. Bewusstsein entwickeln
Führe ein Sabotage-Tagebuch und notiere dir:
- Wann du dich abwertest
- Wann du aufschiebst
- Welche Ausreden du findest
- In welchen Momenten dies geschieht
Dieses Bewusstsein ist der erste Schritt zu mehr Selbstkontrolle.
2. Den inneren Kritiker benennen
Gib ihm einen Namen, wie „Kritikus“. So kannst du seine Aussagen kritischer betrachten, ohne ihnen Glauben zu schenken. Diese „Defusion“ ist eine Technik aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie.
3. 5-4-3-2-1-Achtsamkeitsübung
Bring dich mit dieser Wahrnehmungsübung zurück ins Hier und Jetzt:
- 5 Dinge sehen
- 4 Geräusche hören
- 3 Dinge fühlen
- 2 Gerüche wahrnehmen
- 1 Geschmack schmecken
Diese Praxis unterbricht das Sorgenkarussell.
4. Realistischen inneren Dialog kultivieren
Ersetze Selbstkritik durch einen inneren „Coach“, der dich ermutigt:
Kritiker: „Es wird eine Katastrophe.“
Coach: „Es ist herausfordernd, aber ich kann damit umgehen.“
Kritiker: „Jeder sieht, wie unfähig ich bin.“
Coach: „Ich wachse mit meinen Aufgaben und Fehlern gehören dazu.“
5. Die „So what?“-Methode
Wenn Angst lähmt, frage dich: „Und wenn das passiert – was dann?“ Oft sind die Konsequenzen weit weniger dramatisch als befürchtet. Diese Technik der Katastrophen-Entschärfung hilft, realistische Perspektiven zu entwickeln.
Selbstmitgefühl statt Selbstkritik
Die drei Säulen des Selbstmitgefühls
- Selbstfreundlichkeit: Sei so nett zu dir wie zu einem Freund
- Gemeinsame Menschlichkeit: Akzeptiere menschliche Unzulänglichkeiten
- Achtsamkeit: Beobachte deine Gefühle, ohne von ihnen beherrscht zu werden
Viel Forschung zeigt: Selbstmitgefühl stärkt nicht nur die Motivation, sondern befähigt auch dazu, Rückschläge schneller zu verarbeiten und wertgerechter zu handeln.
Feiere kleine Erfolge
Kleine Schritte können große Erfolge einleiten: Vom erledigten Anruf bis zum hingezogenen Gespräch – positive Rückmeldungen nähren deinen inneren Coach und fördern neue Verhaltensmuster.
Hole dir Unterstützung
Sollten sich selbstsabotierende Muster tief festgesetzt haben, kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich hier als besonders wirksam erwiesen, um blockierende Denkmuster zu durchbrechen und Selbstwirksamkeit zu steigern.
Sei dein bester Verbündeter
Selbstsabotage ist kein Zeichen von Schwäche – sie ist ein erlerntes Muster, das durchbrochen werden kann. Dies beginnt mit der Entscheidung, dich selbst zu akzeptieren und deine Schwächen anzunehmen. Jeder neu formulierte Gedanke ebnet den Weg zur inneren Freiheit. Dein innerer Kritiker hatte lange genug das Sagen – Zeit, dem inneren Coach das Mikrofon zu übergeben.
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